Wie alles begann
Eine Reise der Begegnungen
Ghana hieß das große Ziel – und musste von einigen Schülern erst einmal im Atlas nachgeschlagen werden. Doch schnell fand sich eine Gruppe, die sich der Faszination des westafrikanischen Landes nicht mehr entziehen konnte. Monatelang haben wir gelesen, Visa beantragt und Impfungen ertragen. Wir haben Routen geplant und wieder verworfen, Briefe geschrieben und telefoniert. Und dann kam endlich der Tag am Beginn der Osterferien 2002, an dem wir uns mit unseren Trekkingrucksäcken vom Löhner Bahnhof aus auf den Weg in die große, weite Welt machten. Unser Hunger auf dieses Land war riesig und wir hatten drei Wochen Zeit ihn zu stillen. Während unserer Rundreise durch Ghana und Togo sind wir mehr Vertrautem begegnet, als wir erwartet hatten. In Ho war es Familie Althöfer-Lübke, die uns auf Grund ihrer Arbeit und ihres sozialen Engagements viel Erfahrung voraus hatte und uns somit einen sicheren und erlebnisreichen Start ermöglichte. Ebenso wie Missionarsfamilie Fleckenstein in Salaga, die uns herzlich aufnahm und uns nach anstrengenden Tagen Zeit und Raum zum Ausruhen gab. Auch der Gottesdienst in der katholischen Kathedrale von Kumasi und das mit Herrn Middendorp erlebte Fußballspiel schufen eine vertraute Atmosphäre. In der Mawuli School, einem Gymnasium in Ho, zeigte sich, dass „afrikanisch lernen“ gar nicht so afrikanisch sein muss. Mit schüchternen Schritten betraten wir die Englischklasse. Wir waren zu spät. Der Unterricht hatte schon begonnen. Schnell rückten ein paar Schüler zusammen, so dass wir mit in ihre Bücher schauen konnten. Der Inhalt des Textes war zweitrangig. Dem Lehrer ging es um das richtige Lesen und Verstehen, Methode stand im Vordergrund. Ein Blick durch die Klasse. Die Mädchen und Jungen in Schuluniform saßen auf ihren Holzbänken und sahen den Lehrer aufmerksam an. Die Tür fehlte. Die Fenster waren geöffnet. Der Raum war dunkel. Es herrschte eine angenehm arbeitsintensive Atmosphäre. Wir ließen uns in ihren Bann ziehen. Die Mawuli School war anders, als wir erwartet hatten. Ein ghanaisches Gymnasium hatten wir uns irgendwie afrikanischer vorgestellt. Vielleicht sogar ein bisschen weltfremd. Aber wir wurden eines Besseren belehrt. Natürlich war die Ausstattung nicht immer modern und Schulgeld musste bezahlt werden, aber die gut eingerichteten Fachräume für Biologie und Informatik beeindruckten uns doch sehr. In der Physikklasse unterrichtete der Lehrer Wellenlehre – genau wie bei uns. Der Lehrplan unterschied sich kaum. Wir sind in Ghana und Togo natürlich auch auf viel Fremdes gestoßen und haben dabei viel über uns selbst erfahren. Schockiert, aber auch fasziniert von der Lebensweise im ursprünglichen Afrika, wie wir es in den Vallees de Tamberna unweit der Grenze zu Benin erlebt haben, fiel es uns schwer zu glauben, dass Menschen in solch trockener und karger Gegend in einfachen Lehmburgen leben können. Ihre seltsamen Sitten und ihr Fetischglaube verdeutlichten uns zusätzlich die Kluft zwischen unseren Welten. Die Vielfalt des Lebens sollte uns auch durch unsere Begegnung mit den Goldgräbern bewusst werden. Mit einem Kleinbus fuhren wir durch das trockene, flache Land, dessen Kargheit nur hin und wieder von kleinwüchsigen Bäumen und den riesigen Baobabs unterbrochen wurde. Die Sonne knallte gnadenlos auf den harten und staubigen Boden, und wir waren alle froh über den Fahrtwind, der uns durch die weit geöffneten Wagenfenster ins Gesicht wehte. Wir wussten vom Fahrer, dass die Straße in einem schlechten Zustand war. Dass wir aber selbst mit anpacken mussten, damit hatten wir nicht gerechnet: Schweißgebadet und eingehüllt in eine Staubwolke, gelang es uns, unseren Kleinbus aus einem ausgetrockneten Flussbett zu schieben. Unser Ziel waren die Galamasey, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben unter großen gesundheitlichen und körperlichen Gefahren nach Gold suchen. In ihrem Camp begegneten wir wieder der unglaublichen Gastfreundschaft der Ghanaer, die unseren Eindruck von Afrika besonders prägt. Überschwänglich begrüßten uns die Menschen und waren gerne bereit, uns ein wenig von ihrem Leben zu zeigen. Von einer großen Gruppe Ghanaer begleitet, gingen wir durch das Camp. Männer, Frauen und Kinder tragen gleichermaßen dazu bei, den Lebensunterhalt zu sichern. Sie verrichten härteste körperliche Arbeit: Kleine Kinder schlagen unter Tage Steine mit Goldspuren aus den Wänden, die dann von einigen Männern zerstampft werden. Mit langen, schweren Eisenstangen und einer ungeheuren Disziplin stehen sie in der Mittagshitze und konzentrieren sich auf den Rhythmus der Schläge. Der aufgewirbelte Staub ließ uns kaum atmen. Unser Trinkwasser hatte längst die noch genießbare Temperaturgrenze überschritten. Erschöpfung machte sich breit. Voller Respekt und Bewunderung verabschiedeten wir uns nach kurzer Zeit, um in unsere klimatisierten Hotelzimmer zu fliehen. Es war eine Reise der Begegnungen. Die Ghanaer haben uns überall wie Freunde empfangen. Afrika ist nicht so weit weg, wie wir denken, und die Menschen sind nicht so anders, wie wir glauben, denn der Traum von einem erfüllten und glücklichen Leben ist ein weltweiter Traum, der an keiner Grenze Halt macht. Für diese Erfahrung sind wir sehr dankbar.
Text: Kathrin Fiekers
Die übrigen Teilnehmer:
Nils Brockmann, Melanie Sieker, Stephan Eilbracht, Jana Windmann, Thorsten Honroth, Annelie Meier, Horst Lohmann, Minna Nolting, Rita Strakeljahn, Pinar Özgün und Marion Linke