Stolpersteine
Das KunstDenkmal Stolpersteine wurde Anfang der 1990er Jahre durch den Künstler Gunter Demnig begründet und wird organisatorisch und operativ seit 2015 von der Stiftung – Spuren – Gunter Demnig betreut. Stolpersteine sind im Boden verlegte kleine Gedenktafeln aus Messing, welche an das Schicksal von Menschen erinnern, die während der Herrschaft des Nationalsozialismus (1933-1945) verfolgt, vertrieben, deportiert, ermordet oder in den Suizid getrieben wurden. Die quadratischen Tafeln sind mit handgeschlagenen Lettern beschriftet und ruhen auf einem angegossenen Würfel aus Beton mit einer Kantenlänge von 96 x 96 mm und einer Höhe von 100 mm. Sie werden in der Regel vor dem letzten selbstgewählten Wohnort der betreffenden NS-Opfer niveaugleich zum Gehwegpflaster oder Straßenbelag eingelassen.
Ziel der Verlegung von Stolpersteinen ist es, der von den Nationalsozialisten betriebenen Vernichtung nachträglich entgegenzuwirken und die Namen der betroffenen Menschen zurück in die Städte und Gemeinden zu holen – dorthin wo diese einst ihren Lebensmittelpunkt hatten. Hierdurch soll bei Passanten ein „gedankliches Stolpern“ hervorgerufen und zum Erinnern und Gedenken angeregt werden.
Seit Januar 2021 finden Sie die in Löhne und Umgebung verlegten Stolpersteinen auch auf der digitalen Plattform „Stolpersteine NRW - Gegen das Vergessen“ des WDR. Mittels „Solpersteine NRW“ werden, die Geschichten der Menschen hinter den rund 15.000 Stolpersteinen in Nordrhein-Westfalen digital und vor allem auch mobil vor Ort zugänglich. Über eine kostenlose App für ihr Smartphone (für Apple-Geräte über den Appstore bzw. für Android-Geräte über den Playstore erhältlich) oder über den Desktop-Browser am PC/Laptop können zahlreiche Texte, Fotos, Audios, Illustrationen und Augmented-Reality-Elemente abgerufen werden.
Weitere Informationen zum KunstDenkmal Stopersteine und zum Künstler Gunter Demnig finden Sie unter http://www.stolpersteine.eu/ und https://www.stiftung-spuren-gunterdemnig.eu
Stolpersteine in Löhne
1. Stolpersteinverlegung am 19.11.2016
Marie Kassebaum (11.09.1889 - 03.02.1943) – Ellerbuscher Str. 122
Marie Kassebaum wurde am 11. September 1889 in Obernbeck geboren. Nach dem Schulbesuch arbeitet sie als Zigarrenmacherin. Später leidet Marie Kassebaum an einer psychischen Erkrankung und kommt in die Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Gütersloh, wo sie mehr als 10 Jahre verlebt. Am 3. Februar 1943 verstirbt sie dort „plötzlich und unerwartet“.
Die Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Gütersloh fungierte ab 1919 als Fürsorgeeinrichtung für psychisch Kranke und geistig Behinderte. Ab 1936 wurden die Heilbehandlungen entlang der nationalsozialistischen Vorgaben zur „Rassenhygiene“ neu ausgerichtet. In den Jahren 1940 bis 1943 wurden 1.017 Patienten und Patientinnen als "gänzlich gemeinschafts- und arbeitsunfähig" eingestuft und ermordet oder in andere Tötungsanstalten deportiert.
Die Angehörigen der Opfer erhielten oft nur eine kurze Mitteilung mit Angabe einer fiktiven Todesursache und dem Hinweis, dass der Leichnam gemäß der „Verordnung zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten“ sofort nach dem Tod eingeäschert worden sei. Dies war auch bei der Familie von Marie Kassebaum der Fall.
Marie Kassebaum ist somit Opfer der sogenannten „T4-Aktion“ zur systematischen Ermordung von körperlich und vor allem geistig behinderten Personen. Die Bezeichnung „T4“ kommt von der zentralen Dienststelle der Aktion, die ihren Sitz in der Tiergartenstraße 4 in Berlin hatte. Die Aktion lief ab September/Oktober 1939 bis zum 24. August 1941. Auch nachdem die T4-Aktion aufgrund öffentlicher Proteste (Kirchen und andere Persönlichkeiten) offiziell beendet worden war, wurden dezentral weiterhin Tötungen vorgenommen.
Quellen und Literatur:
- Stadtarchiv Löhne: Personenstandsregister des ehemaligen Standesamtes Mennighüffen, Geburtsurkunde Nr. 109/1889 für Anna Marie Luise Ilsabein Kassebaum, geboren am 11.09.1889; Signatur: SAL R 1.4.1 – 16.
- Scheiding, Detlef (2014): Menschen unterwegs in dunkler Zeit. Ein biographisches Zeitdokument der Jahre 1936-1946 in Obernbeck, Greven: Druckhaus Cramer, S. 150-158.
Friederike Gärtner, geb. Schweppe (16.11.1877 - 12.12.1942) – Ellerbuscher Str. 129
Friederike Gärtner, geb. Schweppe, wurde am 16. November 1877 in Sundern geboren. Durch Heirat mit Heinrich Gärtner kommt Sie nach Obernbeck. Nach dem Tod von vier ihrer acht Kinder wird Friederike Gärtner psychisch krank. Sie kommt in die Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Gütersloh von wo sie später in die Heil- und Pflegeanstalt Scheuern an der Lahn verlegt wird. Dort stirbt Friederike Gärtner am 12. Dezember 1942, angeblich an einem „Schlaganfall“.
Die Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Gütersloh fungierte ab 1919 als Fürsorgeeinrichtung für psychisch Kranke und geistig Behinderte. Ab 1936 wurden die Heilbehandlungen entlang der nationalsozialistischen Vorgaben zur „Rassenhygiene“ neu ausgerichtet. In den Jahren 1940 bis 1943 wurden 1.017 Patienten und Patientinnen als "gänzlich gemeinschafts- und arbeitsunfähig" eingestuft und ermordet oder in andere Tötungsanstalten deportiert.
Die Heil- und Pflegeanstalt Scheuern an der Lahn, in welche Friederike Gärtner verlegt wurde, war eine dieser Anstalten, welche wiederum als „Zwischenanstalt“ und Sammelstelle für Verlegungen in die Landesheilanstalt Hadamar fungierte. Hadamar diente ab 1940 als NS-Tötungsanstalt für das als „T4-Aktion“ bezeichnete nationalsozialistische Euthanasie-Programm zur systematischen Ermordung von körperlich und vor allem geistig behinderten Personen. Die Bezeichnung „T4“ kommt von der zentralen Dienststelle der Aktion, die ihren Sitz in der Tiergartenstraße 4 in Berlin hatte. Die Aktion lief ab September/Oktober 1939 bis zum 24. August 1941. Auch nachdem die T4-Aktion aufgrund öffentlicher Proteste (Kirchen und andere Persönlichkeiten) offiziell beendet worden war, wurden dezentral weiterhin Tötungen vorgenommen.
Quellen und Literatur:
- Scheiding, Detlef (2014): Menschen unterwegs in dunkler Zeit. Ein biographisches Zeitdokument der Jahre 1936-1946 in Obernbeck, Greven: Druckhaus Cramer, S. 150-158.
Marie Holtkamp (17.05.1896 - 13.08.1941) – Am Kamp 2
Marie Holtkamp wurde am 17. Mai 1896 in Obernbeck geboren und lebte von Geburt an mit einer geistigen Behinderung. Im Haus Am Kamp 2 wohnte sie mit einem älteren Ehepaar zusammen, dem sie auch bei der täglichen Hausarbeit zur Seite stand. Des Weiteren arbeitete Marie Holtkamp in einer Obernbecker Zigarrenfabrik und erledigt dort einfache Arbeiten, bevor sie schließlich in Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Gütersloh eingeliefert wurde. Von dort wird sie am 29. Juli 1941 mit einem Transport in die Landesheilanstalt Hadamar verlegt. Marie Holtkamp stirbt nur zwei Wochen später am 13. August 1941 unerwartet an „einer Grippe mit hinzutretender Sepsis“. Ihr Leichnam wird sofort verbrannt und ihre Asche in einer Urne direkt vor Ort vergraben. Die Familie wurde erst Tage später informiert.
Die Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Gütersloh fungierte ab 1919 als Fürsorgeeinrichtung für psychisch Kranke und geistig Behinderte. Ab 1936 wurden die Heilbehandlungen entlang der nationalsozialistischen Vorgaben zur „Rassenhygiene“ neu ausgerichtet. In den Jahren 1940 bis 1943 wurden 1.017 Patienten und Patientinnen als "gänzlich gemeinschafts- und arbeitsunfähig" eingestuft und ermordet oder in andere Tötungsanstalten deportiert.
Die Landesheilanstalt Hadamar, in welche auch Marie Holtkamp verlegt wurde, diente ab 1940 als NS-Tötungsanstalt für das als „T4-Aktion“ bezeichnete nationalsozialistische Euthanasie-Programm zur systematischen Ermordung von körperlich und vor allem geistig behinderten Personen. Die Bezeichnung „T4“ kommt von der zentralen Dienststelle der Aktion, die ihren Sitz in der Tiergartenstraße 4 in Berlin hatte. Die Aktion lief ab September/Oktober 1939 bis zum 24. August 1941. Auch nachdem die T4-Aktion aufgrund öffentlicher Proteste (Kirchen und andere Persönlichkeiten) offiziell beendet worden war, wurden dezentral weiterhin Tötungen vorgenommen.
Quellen und Literatur:
- Stadtarchiv Löhne: Personenstandsregister des ehemaligen Standesamtes Mennighüffen, Geburtsurkunde Nr. 77/1896 für Marie Wilhelmine Luise Holtkamp, geboren am 17.05.1896; Signatur: SAL R 1.4.1 – 23.
- Scheiding, Detlef (2014): Menschen unterwegs in dunkler Zeit. Ein biographisches Zeitdokument der Jahre 1936-1946 in Obernbeck, Greven: Druckhaus Cramer, S. 150-158.
August Friedrich Wilhelm Rahde (16.11.1914 - 01.05.1945) – In den Ellern 12
August Friederich Wilhelm Rahde, genannt Willi, wurde am 16. November 1914 in Obernbeck geboren und schloss sich der Bibelforscherbewegung (Jehovas Zeugen) an. Im Jahr 1936 wurde er im Alter von 22 Jahren zur Wehrmacht eingezogen, verweigerte aber aufgrund seiner religiösen Überzeugungen den Dienst an der Waffe und leistete keinen Fahneneid, weshalb er mit acht Wochen Festungshaft bestraft wurde. Auf Bitten seiner Mutter ließ er sich anschließend doch vereidigen, da man ihm zugesagt hatte, keinen Waffendienst leisten zu müssen.
Kurz vor dem Ende des Krieges verließ er die Wehrmacht und versuchte zu fliehen. Bei Perleberg wollte er am 23. April 1945 die Elbe durchschwimmen, um das westliche Ufer zu erreichen, wo die amerikanischen Truppen die Gegend bereits besetzt und befreit hatten. Dabei wurde er von deutschen Truppen entdeckt und wegen Fahnenflucht festgenommen. Ein Sonderstandgericht verurteilte ihn eine Woche später, am 30. April, zum Tode durch Erschießen. Das Urteil wurde am 1. Mai 1945 in einer Kiesgrube bei Perleberg vollstreckt. In Löhne war der Krieg zu diesem Zeitpunkt schon zu Ende.
Wie der Landrat des Kreises Westprignitz der Familie im Februar 1946 schriftlich mitteilte, wurde Rahde‘s Leichnahm in einer Ecke des Friedhofes von Perleberg „verscharrt“. Nach Kriegende hat man Rahde dann umgebettet. Auf seinem Grabstein ist zu lesen: „Willi Rahde, geboren am 16.11.1914. Er fiel als letztes Opfer faschistischer Willkür in Perleberg am 01.05.1945“.
Quellen und Literatur:
- Kommunalarchiv Herford, Kreissonderhilfsausschuss (Wiedergutmachung), Akte Wilhelm Rahde bzw. Luise Rahde; Signatur: KSHA 49, ZK Nr. 31795.
- Standesamt der Stadt Löhne: Personenstandsregister des ehemaligen Standesamtes Mennighüffen, Geburtsurkunde Nr. 238/1914 für August Friedrich Wilhelm Rahde, geboren am 16.11.1914.
- Stadtarchiv Löhne: Personenstandsregister des ehemaligen Standesamtes Gohfeld, Sterbeurkunde Nr. 241/1945 für August Friedrich Wilhelm Rahde, gestorben am 01.05.1945; Signatur: SAL R 1.3.3 – 74.
- Stadtarchiv Löhne: Abschrift eines Schreibens des ev. Kriegspfarrers Luther an Luise Rahde, geb. Kölling vom 31.05.1945, betreffend den Tod von Wilhelm Rahde; ohne Signatur.
- Stadtarchiv Löhne: Abschrift eines Schreibens des Landrates des Kreises Westprignitz an Luise Rahde, geb. Kölling vom 06.02.1946, betreffend den Tod von Wilhelm Rahde; ohne Signatur.
- Gedenk-, Dokumentations-, und Begegnungsstätte Zellentrakt im Herforder Rathaus (Hg.) (2019): Materialien zur Ausstellung Standhaft trotz Verfolgung. Jehovas Zeugen unter dem NS-Regime (27. Januar bis 14. Juli 2019). Kostenlos online abrufbar unter: Ausstellung_Standhaft_trotz_Verfolgung_Texte_der_ regionalen_Tafeln.pdf (zellentrakt.de) (zuletzt abgerufen im Januar 2022)
- Scheiding, Detlef (2014): Menschen unterwegs in dunkler Zeit. Ein biographisches Zeitdokument der Jahre 1936-1946 in Obernbeck, Greven: Druckhaus Cramer, S. 99-103.
- Minninger, Monika (2001): Eine bekennende „Kirche“. Zur Verfolgung von Zeugen Jehovas in Ostwestfalen und Lippe, 1933-1945, Bielefeld: Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek.
2. Stolpersteinverlegung am 21.12.2017
Willi Joecks (16.08.1907 - 02.11.1945) – Siemshofer Kirchstraße 14
Willi Joecks wurde am 16. September 1907 in Uchtenhagen geboren und kam als junger Mann durch Heirat nach Mennighüffen. Arbeit fand er als Gärtner auf der Ulenburg. Der gemeinsam mit seiner Frau geplante Aufbau einer eigenen Gärtnerei wurde am 11. Juli 1940 durch einen Einberufungsbescheid vom Wehrbezirkskommando verhindert. Joecks, war in der Bibelforscherbewegung (Jehovas Zeugen) aktiv und brachte gegenüber Gemeindebürgermeister und Polizei zum Ausdruck, dass er aufgrund seiner religiösen und pazifistischen Überzeugungen keinen Dienst an der Waffe leisten wollte.
Bald darauf wurde er verhaftet und zunächst für zehn Wochen ins Gerichtsgefängnis nach Bielefeld gebracht. In den folgenden Verhören bekräftigte Joecks, unter Bezug auf das 5. Gebot „Du sollst nicht töten“, seinen Entschluss der Einberufung zum Wehrdienst keine Folge leisten zu wollen. Im Rahmen einer Untersuchung seines Geisteszustandes in der psychiatrischen Abteilung des Reservelazaretts Bielefeld wurde er für sein Handeln als „voll verantwortlich“ erklärt. Am 11. September 1940 überführte man Willi Joecks schließlich in das Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Berlin-Tegel. Am 2. Oktober 1940 erfolgte der Prozess, in dem Joecks wegen „Zersetzung der Wehrmacht“ und „Kriegsdienstverweigerung“ zum Tode verurteilt wurde. Die Hinrichtung erfolgte am 2. November 1940.
Quellen und Literatur:
- Kommunalarchiv Herford, Kreissonderhilfsausschuss (Wiedergutmachung), Akten Willi Joecks; Signaturen: KSHA 15, ZK Nr. 63894 und KSHA 51, ZK Nr. 31715.
- Gedenk-, Dokumentations-, und Begegnungsstätte Zellentrakt im Herforder Rathaus (Hg.) (2019): Materialien zur Ausstellung Standhaft trotz Verfolgung. Jehovas Zeugen unter dem NS-Regime (27. Januar bis 14. Juli 2019). Kostenlos online abrufbar unter: Ausstellung_Standhaft_trotz_Verfolgung_Texte_der_ regionalen_Tafeln.pdf (zellentrakt.de) (zuletzt abgerufen im Januar 2022)
- Gedenk-, Dokumentations-, und Begegnungsstätte Zellentrakt im Herforder Rathaus (Hg.) (2015): Materialien zur Ausstellung „Mit dem Führer zum Sieg?“. Der Raum Herford im Krieg 1939-1945 (1. September 2015 bis 18. Dezember 2016), (= Schriftenreihe der Gedenkstätte Zellentrakt, Band 2) Kostenlos online abrufbar unter: https://www.zellentrakt.de/downloads/materialien/Begleitbroschuere_Mit_dem_Fuehrer_zum_Sieg.pdf (zuletzt abgerufen im Januar 2022)
- Scheiding, Detlef (2014): Menschen unterwegs in dunkler Zeit. Ein biographisches Zeitdokument der Jahre 1936-1946 in Obernbeck, Greven: Druckhaus Cramer, S. 97-98.
- Minninger, Monika (2001): Eine bekennende „Kirche“. Zur Verfolgung von Zeugen Jehovas in Ostwestfalen und Lippe, 1933-1945, Bielefeld: Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek, S. 23-24.
Marie Wilhelmine Sander (26.12.1891 - 11.08.1941) – Werster Str. 73
Über Marie Wilhelmine Sander, geb. am 26.12.1891 in Menninghüffen leider nur wenig bekannt. Sie wohnte in der Wester Str. in Ostscheid und arbeitete wohl als Zigarrenarbeiterin.
Am 01.07.1941 wurde Marie Wilhelmine Sander aus unbekannten Gründen in die Landes Pflege- und Heilanstalt Eichberg aufgenommen. Vermutlich wurde sie aus einer anderen Heilanstalt – wie z.B. der Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Gütersloh – in einem Sammeltransport dorthin verlegt. Die Anstalt Eichberg war zu diesem Zeitpunkt eine sogenannte Zwischenanstalt und Sammelstelle für Überführungen in die Landesheilanstalt Hadamar.
Hadamar diente ab 1940 als NS-Tötungsanstalt für das als „T4-Aktion“ bezeichnete nationalsozialistische Euthanasie-Programm zur systematischen Ermordung von körperlich und vor allem geistig behinderten Personen. Die Bezeichnung „T4“ kommt von der zentralen Dienststelle der Aktion, die ihren Sitz in der Tiergartenstraße 4 in Berlin hatte. Die Aktion lief ab September/Oktober 1939 bis zum 24. August 1941. Auch nachdem die T4-Aktion aufgrund öffentlicher Proteste (Kirchen und andere Persönlichkeiten) offiziell beendet worden war, wurden dezentral weiterhin Tötungen vorgenommen.
Frau Sander wurde am 11. August 1941 in einem Transport mit 106 weiteren Patienten von Eichberg nach Hadamar gebracht. Die gesamte Gruppe wurde am Tag der Ankunft ermordet. Statt des offiziell im Sterberegister eingetragenen 22.08.1941 ist daher ist der 11.08.1941 als Todestag von Marie Wilhelmine Sander anzusehen.
Quellen und Literatur:
- Stadtarchiv Löhne: Personenstandsregister des ehemaligen Standesamtes Mennighüffen, Geburtsurkunde Nr. 168/1891 für Marie Wilhelmine Sander, geboren am 26.12.1891; Signatur: SAL R 1.4.1 – 18.
Fritz Kröger (17.04.1908 - 10.01.1939) – Börstelstr. 26
Fritz Kröger wurde am 17. April 1908 in Mühlheim an Ruhr geboren. Sein Vater war der Mennighüffener SPD-Vorstand Carl Friedrich Wilhelm Kröger. Am 03. April 1935 wurde ihm durch den leitenden Arzt des Kreis- und Stadtkrankenhauses Herford eine Schizophrenie diagnostiziert. Die Diagnose wurde unter Verweis auf das 1934 in Kraft getretene „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ zunächst vom Krankenhaus an die zuständigen Verwaltungsbehörden übermittelt und am 25.05.1937 durch den Bürgermeister der Gemeinde Mennighüffen erneut zur Anzeige gebracht.
Der zuständige Herforder Amtsarzt Dr. Hermann Angenete stellte daraufhin am 08.10.1937 einen Antrag auf Zwangssterilisation, welcher am 11.01.1938 vom Erbgesundheitsgericht in Hamm bewilligt wird. Am 20.06.1938 wird Fritz Kröger im Rahmen der reichsweiten Verhaftungswelle zur Aktion „Arbeitsscheu Reich“ als „Asozialer“ festgenommen und ins Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert.
Der Wiederspruch der Familie Kröger gegen die geplante Zwangssterilisation wurde vom Erbgesundheitsgericht am 02.08.1938 abgewiesen. Nach Vollzug der Zwangssterilisation am 29.10.1938 in Oranienburg wurde Fritz Kröger zur „Weiterbehandlung“ wieder in das Konzentrationslager Sachsenhausen überführt. Hier stirbt er schließlich am 10.01.1939.
Quellen und Literatur:
- Archiv der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen: KZ Sachsenhausen, Gesamtaufstellung der Zugänge vom Montag den 20.Juni 1938, Erstellungsdatum 21.06.1938; Signatur: D 1 A/1020, Bl .210.
- Archiv der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen: KZ Sachsenhausen, Veränderungsmeldungen, Meldung: Verstorben, Erstellungsdatum 11.01.1939; Signatur: D 1 A/1024, Bl .017.
- Archiv der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen: Standesamt Oranienburg, Sterbezweitbuch, Nr. 36/1939 (I), Bl. 32.
- Archiv der Gedenkstätte und Museums Sachsenhausen: Einäscherungsregister Berlin-Baumschulenweg vom 28.09.1938 bis 31.05.1939, Nr. 76838 – 82041.
- Gedenk-, Dokumentations-, und Begegnungsstätte Zellentrakt im Herforder Rathaus (Hg.) (2007): Materialien zu den Ausstellungen „Johanne E., lebensunwert? Ausstellung über Euthanasie und Zwangssterilisierung im Raum Herford“ und „Lebensunwert zerstörte Leben. Eine Ausstellung des Bundes der ‚Euthanasie‘-Geschädigten und Zwangssterilisierten e.V. (04. Juni 2007 bis 03. November 2007), S. 62. Kostenlos online abrufbar unter: Publikation_JohanneE_Lebensunwert.pdf (zuletzt abgerufen im Januar 2022)
Johanne Clara Schierholz, geb. Rürupsmüller (25.04.1900 - 23.07.1941) – Weihestr. 34
Johanne Clara Schierholz, geborene Rürupsmüller, genannt Clara, wurde am 25. April 1900 als jüngstes von sechs Kindern in Gohfeld geboren. Ihre Mutter starb kurze Zeit nach Claras Geburt, sodass diese von ihren älteren Schwestern erzogen wurde. Die Familie lebte in eher einfachen bis ärmlichen Verhältnissen.
Im Jahr 1925 heiratete Clara den verwitweten Tischler Heinrich Schierholz und wurde dessen zweite Frau. Das Paar lebte mit einem Sohn aus Schierholz‘s erster Ehe zusammen. Clara wurde schließlich eine manische Depression diagnostiziert, welche Verwandte auf ihre eher unglücklich verlaufende Ehe zurückführten. Am 1. September 1937 erfolgte die Scheidung durch das Amtsgericht Bielefeld. Zur Behandlung ihrer Erkrankung wurde Clara in die Provinzial Heil- und Pflegeanstalt in Gütersloh eingewiesen. Versuche ihres Bruders Wilhelm Rürupsmüller, sie wieder nach Hause bzw. nach Bethel zu holen, scheiterten mehrfach.
Am 24. Juni 1941 wurde Clara Schierholz von Gütersloh in die Heil- und Pflegeanstalt Scheuern an der Lahn verlegt und schließlich am 23. Juli 1941 mit 78 weiteren Patienten und Patientinnen in die Landesheilanstalt Hadamar überführt.
Die Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Gütersloh fungierte ab 1919 als Fürsorgeeinrichtung für psychisch Kranke und geistig Behinderte. Ab 1936 wurden die Heilbehandlungen entlang der nationalsozialistischen Vorgaben zur „Rassenhygiene“ neu ausgerichtet. In den Jahren 1940 bis 1943 wurden 1.017 Patienten und Patientinnen als "gänzlich gemeinschafts- und arbeitsunfähig" eingestuft und ermordet oder in andere Tötungsanstalten deportiert.
Die Landesheilanstalt Hadamar, in welche auch Clara Schierholz deportiert wurde, diente ab 1940 als NS-Tötungsanstalt für das als „T4-Aktion“ bezeichnete nationalsozialistische Euthanasie-Programm zur systematischen Ermordung von körperlich und vor allem geistig behinderten Personen. Die Bezeichnung „T4“ kommt von der zentralen Dienststelle der Aktion, die ihren Sitz in der Tiergartenstraße 4 in Berlin hatte. Die Aktion lief ab September/Oktober 1939 bis zum 24. August 1941. Auch nachdem die T4-Aktion aufgrund öffentlicher Proteste (Kirchen und andere Persönlichkeiten) offiziell beendet worden war, wurden dezentral weiterhin Tötungen vorgenommen.
Der 23. Juli 1941, an welchem Clara Schierholz in Hadamar eingeliefert wurde, ist sehr wahrscheinlich auch ihr Todestag. Beim offiziell mitgeteilten Todesdatum am 11. August 1941, sowie die Todesursache „Hirnschwellungen“ handelt es sich vermutlich um falsche Angaben um Angehörige und Behörden bezüglich der genauen Umstände des Todes zu täuschen. Die Bestattungsurne von Clara Schierholz wurde mit Unterstützung der Kirchengemeinde nach Gohfeld gebracht und hier beigesetzt.
Quellen und Literatur:
- Stadtarchiv Löhne: Personenstandsregister des ehemaligen Standesamt Gohfeld. Geburtsurkunde Nr. 86/1900, für Johanne Clara Minna Schierholz; Signatur: SAL R 1.3.1 – 27.
- Stadtarchiv Löhne: Personenstandsregister des ehemaligen Standesamt Gohfeld. Heiratsurkunde Nr. 12/1925, für den Tischler Christian Wilhelm Heinrich Schierholz u. die Haustochter Johanne Clara Wilhelmine Schierholz, geb. Rürupsmüller; Signatur: SAL R 1.3.2 – 52.
- Fuchs, M. (2017): Recherchen zu Euthanasie-Opfern in Löhne, unveröffentlichte Facharbeit im Leistungskurs Geschichte, Städtisches Gymnasium Löhne.
Weitere Stolpersteine für Löhner Bürger/innen im Kreis Herford
Hermann Abke (20.12.1903 - 17.07.1944) - Hardenbergstr. 7 in Herford
Karl Hermann Friedrich Abke, genannt Hermann, wurde am 20.12.1903 in Löhne-Ort (Löhne-königlich) geboren. Nach dem Abschluss der Volksschule ist er zunächst als ungelernter Arbeiter in verschiedenen Industriebetrieben tätig und absolviert schließlich eine Ausbildung als Dreher. Anfang der 1920er Jahre schließt sich Abke der Bewegung der Bibelfoscher (Zeugen Jehovas) an und bekennt sich trotz zunehmender Bedrohungen der Religionsgemeinschaft durch die Nationalsozialisten auch in den 1930er Jahren weiter zu seinem Glauben. 1939 heiratet er in Herford die Hausgehilfin Mienchen Müller und wird in den folgenden Jahren Vater zweier Töchter und eines Sohnes.
Am 27. April 1944 erhält der inzwischen 40-jährige Hermann Abke einen Einberufungsbefehl der Wehrmacht. Er soll sich einem Baupionierbataillon in Arnsberg anschließen. Da Abke sich aufgrund seiner religiösen Überzeugungen weigert, dem Einberufungsbefehl Folge zu leisten und einen Eid auf Adolf Hitler zu leisten, wird er in das Wehrmachtsgefängnis Fort Zinna in Torgau gebracht. Am 27. Juni 1944 wird er durch ein Feldurteil vom Reichskriegsgericht wegen „Verweigerung des Wehrdienstes“ zum Tode verurteilt. Die rechtliche Grundlage des Urteils bildete § 5 „Zersetzung der Wehrkraft“ der, am 17. August 1938 erlassenen und zum 26. August 1939 in Kraft getretenen, Kriegssonderstrafrechtsverordnung (KSSVO). Nach Bestätigung des Todesurteils durch Admiral Max Bastian (1883-1958), den Präsidenten des Reichskriegsgerichts, wird Hermann Abke am 17. Juli 1944 in Haale an der Saale hingerichtet.
Der Stolperstein zur Erinnerung an Hermann Abke wurde 2011 an seinem letzten frei gewählten Wohnort in der Hardenberg Str. 7 in Herford verlegt.
Quellen und Literatur:
- Stadtarchiv Löhne: Personenstandsregister des ehemaligen Standesamt Löhne. Geburtsurkunde Nr. 67/1903, für Karl Hermann Friedrich Abke, geboren am 20.12.1903; Signatur: SAL R 1.5.1 – 5.
- Dieter Begemann: Juli 1944: Ein Wehrdienstverweigerer geht in den Tod. Geschichte des Herforder Zeugen Jehovas Hermann Abke, eines 40jährigen Vaters von drei kleinen Kindern. In: Neue Westfälische, Nr. 268 vom 17.November 1990.
- Gedenk-, Dokumentations-, und Begegnungsstätte Zellentrakt im Herforder Rathaus: Liste der in Herford verlegten Stolpersteine: http://www.zellentrakt.de/downloads/ Liste_der_in_Herford_verlegten_Stolpersteine.pdf (zuletzt abgerufen im Mai 2019).
- Gedenk-, Dokumentations-, und Begegnungsstätte Zellentrakt im Herforder Rathaus: Materialien zur Ausstellung Standhaft trotz Verfolgung. Jehovas Zeugen unter dem NS-Regime (27. Januar bis 14. Juli 2019). Kostenlos online abrufbar unter: http://www.zellentrakt.de/downloads/materialien/Ausstellung_Standhaft_trotz_Verfolgung_Regionale_Tafeln.pdf (zuletzt abgerufen im Mai 2019).
- Herrberger, Marcus (2005): Denn es steht geschrieben: „Du sollst nicht Töten!“: Die Verfolgung religiöser Kriegsdienstverweigerer unter dem NS-Regime mit besonderer Berücksichtigung der Zeugen Jehovas (1939-1944), Wien: Verlag Österreich.
- Website der Berliner Gedenkstätte Deutscher Wiederstand:https://www.gdw-berlin.de/de/vertiefung/biografien/personenverzeichnis/biografie/view-bio/hermann-abke/?no_cache=1 (zuletzt abgerufen im Mai 2019)